450 Jahre – Witzenhäuser Kirschen

450 Jahre Kirsche in Witzenhausen – Eine Frucht wird zur Identität einer ganzen Stadt

Heute ist Witzenhausen überregional als Kirschenstadt bekannt und die Kirsche fest im Logo in Witzenhausen verankert. Auch gegenwärtig nimmt das Thema „Kirschenanbau“ einen wichtigen Stellenwert in der der Kultur in und um Witzenhausen ein. Der Ursprung für den Kirschenanbau in der Stadt und der Umgebung liegt bereits 450 Jahre zurück. Es gab bereits erste Vermutungen, dass die eigentlich aus Kleinasien (Kerasos = Giresun am Schwarzen Meer) stammende Frucht hier im Werratal erstmals zur Zeit des Mönchsordens der Wilhelmiten (1392 bis 1528) angebaut wurde. Aktenkundig und somit belegbar nachgewiesen wurde die Ersterwähnung der roten Frucht vor 450 Jahren am 18. November 1573 aufgrund eines nachbarschaftlichen Rechtsstreits, um die „Kersebeere“, wie sie damals genannt wurde. Mit dieser zeitlichen Einordnung gehört das Witzenhäuser Anbaugebiet zu den ältesten Kirschengebieten in Deutschland überhaupt. Zu Ehren dieser jahrhundertelangen Kirschgeschichte feiert Witzenhausen das 450-jährige Jubiläum der Kirsche.

Das Jahr 2023 wird daher mit speziellen Events, Stadt- und Kirschplantagenführungen, Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen ganz im Zeichen der Kirsche stehen. Genauere Informationen können Sie zukünftig unserer Website www.kirschenland.de entnehmen.

Die Geschichte der Kirsche in Witzenhausen

„Auf einen leeren Raum pflanz einen Baum und pflege fein, er bringt Dirs ein

Unter diesem Motto wurde der Kirschenanbau Ende des 18. und im 19. Jahrhundert zu einem erfolgreichen Absatzmarkt und verdrängte den bisherigen Weinanbau. Die Zahl der Kirschbäume stieg von 13 300 (1882) auf ca. 150 000 (1970.), davon rund 40 % Sauerkirschen. Möglichst viele Familien wollten von der roten Frucht profitieren, weshalb jeder dritte Haushalt sie im Nebenerwerb anbaute und durchschnittlich 50 eigene Kirschbäume besaß. Die Gewinne aus dem Kirschenverkauf kamen zum Hauptverdienst hinzu und verhalfen so vielen Witzenhäusern zu einem bescheidenen Wohlstand. Die Nähe zu den Städten Göttingen und Kassel als gute Absatzmärkte diente als idealer Standort für den Verkauf der Witzenhäuser Kirschen. Vor allem durch die günstigen Standortbedingungen entwickelte sich Witzenhausen zu einem der größten Kirschenanbaugebiete Deutschlands. Die kalkhaltigen, gut durchlüfteten Böden und die umliegenden Berge, die wie ein Kessel wirken und vor Spätfrösten schützen, dienten als idealer Nährboden für den Kirschenanbau.

Aktuell wird der Bestand auf die gleiche Höhe wie 1970 geschätzt mit ca. 20% Sauerkirschen, allerdings schrumpft die Zahl der Hochstämme und die kleinkronigen Züchtungen nehmen zu.

Die „Witzenhäuser Kirschen“ in aller Munde

Die süße oder auch saure Sommerfrucht ist mittlerweile weit über die Grenzen des Werratals für ihr besonderes Aroma und ihre hohe Qualität bekannt. Einige Witzenhäuser Obstbaubetriebe haben bis heute die traditionelle Erzeugung des Kirschenanbaus beibehalten und geben ihr langjähriges Wissen über das Qualitätsprodukt an ihre Generationen weiter. Heute findet sich die Kirsche neben dem klassischen Obstverkauf in saisonalen Backwaren, Soft- und alkoholischen Getränken und Süßigkeiten wieder, aber auch auf Accessoires ist die Kirsche ein beliebtes Motiv. In aller Munde ist sie aber nicht nur wegen ihres Geschmacks, sondern auch als Naturerlebnis zur Blütezeit (Mitte – Ende April) oder als Hauptveranstaltung des Jahres, der sogenannten „KesperKirmes“, die zu Ehren der Ernte der wertvollen “Kesper” jedes Jahr ein neues Kirschenkönigshaus krönt. Die Kirschenkönigin mit ihrem Königshaus vertritt als Botschafterin Witzenhausen und den Kirschenanbau. Für alle Kirschenfans gibt es darüber hinaus vielfache Publikationen zur Kirsche, Stadtführungen und natürlich die Ernte (Mitte Juni – Mitte August) mit offiziellem Anpflücken und Rahmenprogramm.

Hals und Beinbruch für die Kirsche

Früher war der Kirschenanbau keine ungefährliche Angelegenheit.  Die Kirschen wurden meist auf mächtigen Hoch- und Halbstämmen, die bis zu 20 m hoch waren, angebaut. Dementsprechend wurden lange Ernteleitern von ca. 12 m Länge benötigt. Zur Erntesaison landeten viele Verletzte mit Knochenbrüchen im Krankenhaus und prahlten dort mit ihrer Pflückleistung. Das Kirschenpflücken war zudem ein jährliches Familienereignis, bei dem die ganze Familie involviert war. Im Sommer ging es um 6 Uhr morgens direkt auf die Leitern und bis in den Nachmittag hinein wurde die rote Frucht mühselig gepflückt. Dann brachte man die Kirschen zur Absatzgenossenschaft Unterrieden e.G. (AGU) und tauschte sich dort mit den anderen Kirschenanbauern aus. Die Kirsche und ihr Anbau prägten die Kultur und das Gemeinschaftsleben der Witzenhäuser, weshalb die Kirsche bis heute eine zentrale Bedeutung für die Stadt und ihre Leute hat.

Neue Sorten 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschob sich der Schwerpunkt der angebauten Sorten von den hellen Herzkirschen hin zu den transportfähigeren Knorpelkirschen. Erleichtert wurde dieser Sortenwechsel durch die Frostwinter der Jahre 1928/29, 1939/40 und 1940/41, denen ein Großteil der alten Plantagen zum Opfer fiel.  Angebaut wurden nun hauptsächlich „Frühe und späte Wahlhäuser“, „Witzenhäuser Riesen“ und „Schneiders späte Knorpel“.

Auf unserer Partnerseite, die wir mit dem Geo-Naturpark Frau-Holle-Land betreiben, finden Sie noch viel mehr Informationen rund um Kirschenproduzent*innen, Kirschenanbau und Kirschrpodukte: https://www.kirschbluetefrauholle.land/